Irgendwann am Abend der Europawahl wurde mir klar, dass kein Skandel, keine Demaskierung, keine neue Einblicke Menschen davon abhalten werden, die AFD zu wählen. Es bringt daher auch nicht viel, die Partei und Wähler mit dem Etikett Nazi oder rechtsextrem oder rechtspopulistisch zu versehen. Das schreckt nicht ab, das wissen mittlerweile alle. Man braucht auch nicht mehr abwarten, welche Strömungen sich in der Partei durchsetzen. Alles ist offenbar und offentlichlich.
Wir müssen leider davon ausgehen, dass diese Partei sich fest im Parteienspektrum etabliert. Selbst die Abspaltungen von Lucke, Petry und Poggenburg trugen nicht dazu bei, dass die Partei sich selbst zersetzt.
Die AFD-Wähler wählen die AFD, weil sie die AFD wählen wollen. Sie sind nicht geschockt darüber, dass diese Partei so rechts ist wie sie ist, weil sie genau das gut finden. Nein, das ist kein Protest, das ist eher ein „Jetzt sind wir mal dran. Jetzt kommt unsere Zeit“. Michael Thumann (Zeit-Online) schreibt: „Vielleicht sollten wir aufhören, die Wähler von Rechtsextremisten und Populisten immer wieder mit irgendeiner schwierigen sozialen Lage zu entschuldigen und zu entlasten. Offenbar sind Fremdenhass, Antisemitismus, Chauvinismus und Sehnsucht nach autoritärem Durchgreifen Gründe genug, radikale Parteien zu wählen“.
Diese Leute gab es schon immer! Sie hatten nur noch keinen angemessenen Kanal. Jetzt gibt es für sie tatsächlich eine Alternative. Vielleicht ist das gar nicht so schlecht. Mich zumindest hat das Erscheinen der AFD ganz neu politisiert, mich vom überzeugten Nichtwähler und Parteienskeptiker zum Parteimenschen und Wähler gemacht.
Ich lebe in Sachsen. Hier ist die AFD besonders stark. Das ist eine Tatsache, die ich einfach mal zur Kenntnis nehme. Ja, es gibt sicherlich auch ostdeutsche Befindlichkeiten, die Menschen dazu bewegen die AFD zu wählen. Aber selbst im wohlhabenden und gesättigten Baden-Württemberg wählen 10 % (bzw.487.000 Menschen) diese Partei.
Die AFD erzielt zur Europawahl in Sachsen ca. 520.000 Stimmen. Demgegenüber gab es 1,2 Millionen Menschen, die nicht gewählt haben. Bei der letzten Landtagswahl bekam die AFD 159.000 Stimmen (1,7 Mio Nicht-Wähler) bei der Bundestagswahl 2017 in Sachsen 670.000 Stimmen (820.000 Nichtwähler).
Wahl | Wahl berechtig | Wahl- beteil. | Nichtwähler | AFD | Nicht+AFD | |
2019 Europa | 3301120 | 64% | 1201460 | 520668 | 52% | |
2017 Bundestag | 3329550 | 75% | 819886 | 669940 | 45% | |
2014 Landtag | 3376627 | 49% | 1717130 | 159611 | 56% |
Mein Fokus geht auf die Nichtwähler. Es gibt gute Gründe nicht zu wählen (ich habe selbst jahrelang dafür argumentiert). Aber wir haben jetzt aktuell eine absolute Mehrheit von Nichtwählern und AFD-Wählern. Meine Befürchtung ist, dass hier eine schweigende Koalition entsteht. Menschen, die bereit sind, die AFD gewähren zu lassen. Die AFD eben nicht zu wählen, aber auch nicht bewusst nicht zu wählen. Diese Menschen sollten wir erreichen.
Es ist nicht unmöglich, dass die AFD bei der Landtagswahl am 1. September bei unter 20 % bleibt, wenn mehr Nicht-Wähler mobilisiert werden können. Deshalb werde ich mich aktiv am Wahlkampf beteiligen.